Die Legende

Legenden faszinieren mich immer wieder. Zum einen, weil sie an Anteil an der Struktur unseres Kalenderjahres haben: 6. Januar (Heilige Drei Könige), 14. Februar (Valentinstag), 11. November (St. Martin), 6. Dezember (Nikolaus), 31. Dezember (Silvester). Zum anderen, weil auch Symbole in Alltag und Kultur auf Legenden zurückgehen, z. B. die Christophorus-Plaketen in Taxis oder das Motiv des Drachenkampfes (St. Georg).

Versuch einer kurzen Definition

Die Legende ist eine kurze Prosaerzählung. Doch anders als das häufige Auftreten des Begriffs in Fantasy-Zusammenhängen vermuten lässt (z.B. der Film Legende von Ridley Scott oder die populäre Buchreihe Legenden der Drachenlanze), hat die “Legende” eigentlich einen anderen, sehr speziellen Inhalt:

Der Begriff “Legende” stammt vom lateinischen Wort legendum, das “das zu Lesende” bedeutet. Verwendet wurde der Begriff zunächst im Zusammenhang mit den Jahrestagen der Heiligen, dann an diesen tagen sollte eine Geschichte aus ihrem Leben gelesen werden. Die Zuordnung zum Jahrestag wurde schließlich immer mehr aufgehoben, und schließlich wurden unter einer Legenden kleine, vorbildhafte Geschichten aus dem Leben der Heiligen verstanden. Man kann also die Legende als kurze Heiligengeschichte auffassen.

Es werden im Wesentlichen zwei Typen unterschieden: Zum einen gibt es die eigentliche Legende, die über das irdische Leben heiliger Personen berichtet wie z.B. die Legende von Nikolaus von Myra. Die zweite Art Legende ist die sogenannte Mirakelerzählung in der von Wundern oder göttlichen Offenbarungen die Rede ist. Zu dieser Sorte gehören auch Geschichten, die in der Art von Heiligengeschichten erzählt sind und eine religiös-moralische Basis haben. Legenden sind überlieferte Geschichten ohne klare Urheberschaft. In ihnen mischen sich wie so oft wahre Begebenheiten mit dem Wundersamen.

Verhältnis von Legende und Märchen

Der Unterschied zwischen Märchen und Legende ist klar: Die Legende ist eine Heiligengeschichte und hat einen religiösen Hintergrunde. Das Märchen ist keine Heiligengeschichte, auch wenn es (wie z. B. in Marienkind, KHM 3) in Märchen durchaus manchmal christliche Figuren und Motive gibt. Dennoch haben die Brüder Grimm in ihrer Märchensammlung auch Legenden aufgenommen. Diese sind keine Heiligengeschichten, thematisieren aber die Bedeutung des Glaubens und ähnliches. Die Brüder Grimm selbst haben Figuren der von ihnen gesammelten “Kinderlegenden”, auch wenn sie so nicht bezeichnet wurden, als Engel interpretiert.

Weiterführende Literatur

  • Ecker, Hans-Peter: Die Legende. Kulturanthropologische Annäherung an eine literarische Gattung. Stuttgart/Weimar: Metzler, 1993
  • Gfrereis, Heike (Hg.): Grundbegriffe der Literaturwissenschaft. Stuttgart: Metzlersche Verlagsbuchhandlung, 1999.